Mit der „Direkten Nordwand“ eröffneten Michaela und ich eine schwierige und kühne Winterkletterroute, die Elemente des Winterbergsteigens, des modernen Mixedkletterns und des Bigwallkletterns kombiniert.
1150 m, M6, 5+, A3 (plus ca. 400 Hm leichtes Gelände im unteren Teil der Wand)
Erste Begehung durch Fritz Miller und Michaela Schuster am 28.11.2020 nach Vorarbeiten am 21., 22. und 25.11.2020.
Charakter
Bei der „Direkten Nordwand“ handelt es sich um eine schwierige und kühne Winterkletterroute, die Elemente des Winterbergsteigens, des modernen Mixedkletterns und des Bigwallkletterns kombiniert.
Linienführung
Trotz des Gedankens einer Direttissima ist die Routenführung stehts intuitiv und nützt die Schwachstellen der jeweiligen Wandbereiche. Im Bereich des „Seilbahnquergangs“ und der darüberliegenden Wandstufe verläuft die Route zusammen mit einer Linie, die im Dezember 2004 von Jörg Pflugmacher und Peter Anzenberger begangen wurde. Diese wiederum entspricht wahrscheinlich grob der Linie von H. Gazert und F. Völcker aus dem Jahr 1895 (gem. AV-Führer Wetterstein).
Schwierigkeiten, Absicherung und Ernsthaftigkeit
Die Schwierigkeiten sind stark verhältnisabhängig und nur grob anzugeben. Die moderaten Schwierigkeitsgrade dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich mitunter um äußerst anspruchsvolles Klettergelände handelt, beispielsweise um glatte, schneebedeckte Felsplatten. Die beiden A3-Längen sind entsprechend der New-Wave-Skala eingestuft.
Bei der Erstbegehung wurden einzelne Standplätze mit Bohrhaken ausgerüstet (M8 Expressanker, Niro, insg. 16 Stück). In der gesamten Route wurden darüber hinaus ca. 25 Normalhaken sowie fünf Fixkeile belassen. Während die Stände entweder gut eingerichtet sind oder sich gut einrichten lassen, muss dazwischen über weite Strecken mit minimaler bzw. fragwürdiger Absicherung geklettert werden.
Saison, Bedingungen
Die Route ist als Winterkletterroute zu verstehen. Entscheidend sind eine stabile Schneedecke und Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes ab dem Bayerischen Schneekar. Außerdem muss die feine Rinne oberhalb der ersten Wandstufe ausreichend kletterbares Eis aufweisen! Die besten Bedingungen gibt es vermutlich Ende des Winters oder zu Beginn des Frühjahrs. Von einer Begehung bei zu warmem Wetter, zu wenig Schnee oder gar im Sommer (große Steinschlaggefahr) sollte abgesehen werden!
Taktik
Für eine Begehung sind drei Tage einzuplanen. Am ersten Tag sollte man die ersten vier Seillängen klettern und fixieren (vom vierten zum ersten Stand sind es auf direktem Wege nur 50 m). Alternativ Wandbiwak im „Seilbahnquergang“ der Route „Himmel und Hölle“. Das zweite Biwak dann unterhalb der Headwall oder am Gipfel.
Zustieg
Von der Haltestelle „Eibsee“ der Zugspitzbahn (1000 m) zur Haltestelle Riffelriß (1638 m). Auf dem Weg Richtung Riffelscharte bis zu einer Schneise in den Latschen auf ca. 1800 m. Dort nach rechts ins Geröll-/Schneefeld queren. Bei entsprechender Schneesituation ersteigt man dieses Geröll-/Schneefeld direkt von der Skipiste aus und vermeidet damit den Weg durchs Latschenfeld. Unterhalb des Stollenlochs (ca. 1825 m, markantes Vordach, Biwakmöglichkeit) in Richtung der offensichtlichen, felsigen Schlucht queren. Auf der orographisch linken Seite der Schlucht nützt man eine Schwachstelle des Felssockels (ca. 1815 m), um diesen zu erklettern (kurze felsige Aufschwünge). Weiter hinauf zum Bayerischen Schneekar und dort bis knapp unter dessen linkes, oberes Ende. Gehzeit insgesamt ca. 3 – 3,5 h.
Einstieg
Der Einstieg befindet sich bei der markanten, plattigen Rampe, welche von links nach rechts in die erste Wandstufe hineinzieht (siehe Wandbild). Einstiegshöhe ca.2200 m.
Routenbeschreibung
1. SL: 45-50 m (je nach Schneelage), ca. M5 und A1-2. Die plattige Rampe hinauf, je nach Bedingungen mehr oder weniger Schneeauflage. Stand am Ende der Rampe an 2 NH und 1 BH.
2. SL: 38 m, M5+. Über Schneefeld nach rechts zu Rinne, dort hinauf zu Stand an 2 NH und 1 BH.
3. SL: 25 m, A3. Rissquerung nach links in überhängender Wand. Stand an 2 BH.
4. SL: 25 m, A3, M4. Linkshaltend hoch zu Dach und dem Riss weiter nach links folgen. Schließlich durch vereisten Kamin zum Stand auf Pfeiler an 2 BH.
5. SL: 50 m, Eisrinne WI3/60°, dann breites Schneecouloir 45°. Bei schlechter Vereisung wahrscheinlich nicht kletterbar! Stand links an plattiger Felsrippe an 2 BH.
6. SL: 35 m, 40°. Schneefeld rechtshaltend hinauf zu Stand von Himmel und Hölle aus 2 NH und 1 Stichtbohrhaken.
7. SL: 80 m, 40°. Querung nach links („Seilbahnquergang“), 1 Stichtbohrhaken nach 60m. Gleich danach 15 m ins Couloir hinauf zu Stand auf der rechten Seite an 2 NH.
8. SL: 60 m, ca. WI3, bei schlechter Vereisung schwerer. Die Rinne hinauf, Stand kurz vor Ende der Rinne auf der rechten Seite (nicht eingerichtet, Cams und NH). Bei guter Vereisung Stand im Eis.
9. SL: 50 m, M3, 40°. Kurzer Felsaufschwung, dann Schneefeld hinauf zu Stand an brüchigem Fels (nicht eingerichtet, Beaks und Microcam).
10. SL: 45m, 40°. Schneefeld nach rechts ansteigen zu Felskopf mit 1 NH.
11. SL: 75 m, M3-4. Rechts haltend zu Rinne, diese empor, bis ein kleiner Pfeiler das Ende der Rinne markiert. Dort Stand an Cams/Hexentrics. Seit März 2022 Zwischenstand (2 NH) auf der linken Seite der Rinne.
12. SL: 55 m, M2, 40°. Nach links zu großem Schneefeld, welches ins „Skicouloir“ führt. Dort gleich wieder rechtshaltend zu Felsblock mit Cam-Riss (#2 und #3).
13. SL: 140 m, 45°. Zunächst linkshaltend, dann rechts ansteigend unter die steile Felswand. Am Stand 1 NH belassen.
14. SL: 40 m, 4+, 70°. Linkshaltend über Schneeband, brüchigen Fels und zuletzt angeklebten Schnee zu Stand aus 2 BH.
15. SL: 35 m, 5+ A0, 60°. Vom Stand gut 20 m den Riss hinauf zu NH, dann horizontal nach links. Am Stand 2 NH belassen.
16. SL: 50 m, M6, 4. Links des Standes gerade hoch (M6) und weiter in felsiger Rinne. Am Ende der Rinne nach links zu Stand an 2 BH kurz vor dem großen Schneefeld.
17. SL: 100 m, 45°. Das große Schneefeld hoch in Richtung Couloir („Latrinenrinne“). Rechts vom Couloir Stand im Fels bei rötlichem Ausbruch (nicht eingerichtet).
18. SL: 50 m, M4-5, 45°. Linkshaltend empor unter steile Wand. Schlechter Fels, kaum absicherbar. Stand nicht eingerichtet. Seit März 2022 existiert etwas weiter links oben ein Bohrhakenstand der Ausstiegsvariante „Superdirekte Nordwand“.
19. SL: 40 m, ca. 5+. Wenige Meter im Schnee nach rechts zu markanter Rissspur, diese hinauf zu Stand an 2 BH.
20. SL: 50 m, M4, 45°. Vom Stand nach links hinab, Seilzugquergang in glatte Platte bis die Schneeauflage kletterbar wird. Heikel empor zu Felsbogen. Seit März 2022 existiert hier ein Bohrhakenstand der „Superdirekten Nordwand“. Linksquerung zu Schneefeld und weiter linkshaltend unter die steile Wand.Stand an 1 BH, FK und Cam #3.
21. SL: 30 m, 5+, M6 A0. Ein paar Meter nach rechts ansteigen, schwieriger und heikler Aufrichter (ca. 5+), bis es gerade hinauf geht (M6 und A0). Am Ende durchs Couloir bis unter kleine Wandstufe. Stand an 2 BH.
22. SL: 30 m, 4 und M4. Im Couloir hinauf (heikel, schlecht absicherbar), dann links hoch zur Leiter, welche zum Gipfel führt. Stand an der Leiter.
Abstieg
Fußabstieg über Wiener-Neustädter-Hütte oder mit der Seilbahn zurück zum Eibsee.
Material
Stand: 30.03.2022